Aussteiger-Urlaub für Anfänger
Flo und ich haben unseren ersten gemeinsamen Camping-Urlaub in Schottland geplant. Wir wussten zu diesem Zeitpunkt nicht so genau, was dabei wirklich auf uns zukommen wird. Aber eines wussten wir: wildes campieren ist in Schottland fast überall erlaubt, und das wollen wir tun! Wir wollten Sonnenaufgänge, menschenleere Hochebenen, und gemütlich frühstücken am See.
Flug: München – Edinburgh
Fortbewegung: VW T6 mit Camping-Ausbau – auf der „falschen“ Seite 🙂
Unterbringung: VW T6 – hart an der Grenze zum Chaos, Campingplätze, ein Schloss und hin und wieder ein B&B oder Hotel
Buchung über: das Auto über Bunk Campers (https://www.bunkcampers.com), den Rest vor Ort
Was soll ich sagen: wir haben die Rechnung ohne die schottischen Gegebenheiten gemacht. Wir hatten die ersten beiden Tage durchgehenden Regen und graue Tristesse, das pure Chaos im unbekannten Auto und stellten fest, dass man jede Reise noch so gut durchplanen kann, am Ende kommt es immer anders.
Wir haben uns aber durchgekämpft, und nach drei Tagen war nicht nur das Wetter besser, sondern auch die Laune. Wir hatten uns ein bisschen Routine in unserem mobilen Zuhause erarbeitet, haben uns an den Links-Verkehr gewöhnt, haben jedes Mal noch schönere Stellplätze für die Nacht gefunden und wundervolle Ausflüge gemacht. Urlaubsgefühl finally kicked in 🙂
Destination
Schottland ist ein Paradies für Naturliebhaber. Die weiten saftig grünen Täler, die sanften braun-violetten Hügel im Hochmoor, die unzähligen Lochs, die felsigen Munros mit Bächen und Wasserfällen und die wunderschönen Sonnenuntergänge am Meer. Man kann und darf die Natur ganz nahe erleben. Wild campen ist mit einigen Ausnahmen erlaubt und abseits der besiedelten Gebiete findet sich immer ein schönes Plätzchen. Die Campingplätze sind aber auch zu empfehlen, die meisten waren recht klein und idyllisch. Die Nächte sind friedlich. Und das Wetter, naja, wie heißt es: es gibt kein schlechtes Wetter…
Unsere Natur-Highlights der Route
Wir hatten uns zwar eine Route zurechtgelegt, haben diese aber sehr häufig angepasst, um unsere Tage so entspannt und abwechslungsreich wie möglich zu gestalten. Wenn man nur zwei Wochen Zeit hat, müssen Ziele herausgepickt werden! Hier ein kleiner Auszug aus unseren Zwischenstopps:
Märchenhafte Schlucht – „Devil’s pulpit“
In der Nähe von Drymen, etwas östlich des Loch Lomond fließt ein kleiner Bach. Dieser hat sich im dichten Dschungel relativ tief in den felsigen Untergrund gegraben. Man könnte die ca. 20m tiefe Schlucht fast hinunterfallen, denn sie ist sehr schmal und verläuft mitten im Unterholz des Waldes. Wenn man den rechten Weg findet, der etwas versteckt im Wald verläuft, kommt man irgendwann zu einer unglaublich abenteuerlichen Treppe, die es einem ermöglicht, ohne Hals- und Beinbruch bis zum Flussbett hinunter zu gelangen. Sie ist rutschig und unwegsam und schlängelt sich durch die Vegetation bis zum Grund. Dort unten erwartet einen fast märchenhafte Landschaft, in der man keine Mühe hat, eine Fee finden zu wollen. Echt sagenhaft!
Felshöhlen im Norden – „Bone Caves“
Am anderen Ende von Schottland, südlich des Örtchens Inchnadamph, gibt es einen Parkplatz. Ausgehen von diesem kann man sich in die traumhafte Hügellandschaft begeben. Man geht einen Bachlauf entlang bergauf und kommt auf eine Hochebene, die wunderbare Ausblicke in alle Richtungen ermöglicht. Wir hatten das Glück, eine riesige Herde Hirsche an einem der Hügel grasen zu sehen. Nach weniger als einer Stunde kann man einen kleinen Steig hinaufgehen und kommt zu ein paar natürlichen, schmalen Höhlen in Gestein. Mehr: https://www.walkhighlands.co.uk/ullapool/bonecaves.shtml
Der kahle Aussichtsberg – Pap of Glencoe
Zuerst muss einmal gesagt werden, dass „Pap“ so etwas wie Busen heißt. Im Glencoe Visitor Center wurden wir deshalb von einer jungen Dame verschmitzt angelächelt, als wir fragten, was das für ein Berg ist. Der Pap ist ein beliebtes Wanderziel, direkt am Eingang zum Tal. Die Aussicht vom Gipfel ist fantastisch… auch wenn wir weniger Fernsicht wegen der Wolken hatten. Der Aufstieg ist relativ beschwerlich, erst matschig, dann steinig, dann felsig. Die ca. 900hm sind ziehen sich. Wir brauchten außerdem ohnehin zwei Anläufe, weil wir beim ersten Versuch wegen des unaufhörlichen Regens recht schnell abbrechen mussten. Dennoch, die Mühe lohnt sich für den Blick von oben!
Die verträumten Seeufer am Loch Lomond
Der Nationalpark Trossachs ist einer der wenigen Orte in Schottland, an denen man NICHT wild campen darf. Zumindest am Papier. Wir hatten daher tatsächlich kein Glück, als wir am Campingplatz nachfragten, ob noch ein Platz frei ist. Der Besitzer hat uns aber auf einen Parkplatz in der Nähe verwiesen, an dem wir halblegal stehen durften. Es gab sogar eine Toilette und fließendes Wasser, da dieser Platz genau am West Highland Way lag. Dieser Fernwanderweg führt von Glasgow über den Trossach Nationalpark und Glencoe nach Fort William und ist sehr beliebt bei Backpackern. Wir hatten eine ganz idyllische Aussicht auf den See und ein zwei Camper-Nachbarn, die wahrscheinlich auch keinen Platz mehr bekommen haben.
Tags darauf haben wir von Balloch aus eine gemütliche Bootsfahrt gemacht (mit Sweeney’s Cruises) und uns die Weiten des Lochs vom Wasser aus angesehen.
Bauwerke, die uns beeindruckt haben
Glenfinnan Viaduct
Diese Eisenbahnbrücke hat inzwischen Kultstatus. Spätestens seit den Harry Potter Filmen und dem Hogwarts Express. Wir haben es leider zeitlich nicht geschafft, die Brücke IM Dampfzug zu befahren. Wir haben uns aber die Mühe gemacht, uns mit 100 anderen Schau- und Fotographier-Lustigen um 15 Uhr am Hügel über dem Viadukt einzufinden, um die Überfahrt des Zuges zu bestaunen. Und nicht nur das Bauwerk selbst und der Zug, sondern auch die Natur rundherum, der Blick auf Loch Shiel und das Bier in Glenfinnan House waren den Zwischenstopp wert!
Dunrobin Castle
Dieses besondere Schloss im Nordosten Schottlands bei Golspie ist vor allem wegen seiner Falknerei bekannt. Die Lage des Schlosses ist phänomenal, die Gärten sind wunderschön und auch das Innere des Schlosses kann sich sehen lassen. Der Kern dieses Schlosses geht auf einen Wohnturm im 13. Jahrhundert zurück. Um 1850 erhielt das Schloss unter dem zweiten Duke of Sutherland sein heutiges, französisch anmutendes Aussehen und schlappe 189 Zimmer! Wir haben uns natürlich auch die Falknerei-Show nicht entgehen lassen mit den beiden Stars, Adler und Wanderfalke.
Mehr: http://www.dunrobincastle.co.uk/
Inveraray Castle
Als Zwischenstopp auf dem Weg von Loch Lomond nach Oban bietet sich Inveraray Castle an. Das Innere des Schlosses wird heute noch aktiv genutzt und kann für private Feiern aller Art gebucht werden. Wir haben das Gebäude selbst ausgelassen und stattdessen den riesigen Park, der das Gebäude umgibt, angesehen. Man kann schier unendlich durch die botanische Vielfalt spazieren und immer neue Ecken mit hübschen Blumenbeeten, Statuen und sogar Wald entdecken.
Elgin Cathredral
Elgin ist eine kleine nette Stadt zwischen Inverness und Aberdeen im Nordosten Schottlands. Am Rande der Speyside Whisky-Region ist sie nicht ganz so sehr am touristischen Radar. Abgesehen natürlich von der spektakulären Ruine seiner ehemaligen Kathedrale aus dem 13. Jahrhundert. Mit ihren zwei Türmen (die man sogar begehen kann) und ihren Steinmetzarbeiten ist sie auf jeden Fall einen Besuch wert. Nach diversen Bränden und Beschädigungen bei Auseinandersetzungen zwischen Landesfürsten und Kirche, wurde sie im 16. Jahrhundert einfach verlassen. Erst seit dem 19 Jahrhundert kümmert sich der Staat wieder um die Erhaltung der ehemals zweitgrößten Kathedrale Schottlands.
Weitere kleine Highlights der Reise
Die Mini-Fähre Nigg-Cromarty am Cromarty Firth
Ein spezielles Erlebnis bescherte uns die kleine Fähre. Wir fuhren mit unserem VW Bus recht blauäugig zum Anlegeplatz und warteten mit 3 anderen Fahrzeugen und einer Hand voll Personen auf das Schiff. Das Schiff kam auch, es war aber so klein, dass ich schon Angst hatte, unser Auto passt nicht rein. Am Boot sah ich später eine Tafel „20 Personen ODER 3 Fahrzeuge“… naja, wir hatten zwei Fahrzeuge (die meisten Personen am Hafen wollten zum Glück OHNE ihre Autos mitfahren) und 10 Personen 😉
Nach Ankunft ging alles ganz schnell. Zwei Autos raus, zwei Autos rein, Klappe zu, Abfahrt. Wir fragten uns noch, wo wir überhaupt bezahlen sollten, da waren wir auch schon wieder fast am anderen Ufer…
„The Mermaid of the North“ bei Balintore
Ein kleiner idyllischer, etwas veralteter Fischerei-Ort, ein Küstenstreifen, ein Stein, eine Bronze-Meerjungfrau. Das war’s auch schon 😉
Tarbat Ness Lighthouse
Der Außenposten an der Nordostküste nahe des Ortes Wilkhaven bezaubert auch durch eine sehr besondere Atmosphäre. Umgeben von rauer See an drei Seiten steht das Gebäude am gefühlten Ende der Welt. Die Anfahrt ist schon abenteuerlich. Über ewige Felder mit riesigen Heuballen und Hasen, bis zum Ort Wilkhaven wird die Straße immer dünner. Dann wird sie NOCH schmaler, sodass wir schon Angst vor Gegenverkehr hatten. Am Ende endet auch die Straße. Der Parkplatz war mit ganzen drei anderen Campern frequentierter als gedacht. Der Leuchtturm ist privat, aber die teils felsige und steile Küste rundherum ist spektakulär.
Rogie und Black Water Falls
Zu beiden Seiten des Loch Garve (nahe Inverness) kann man wunderbare Kaskaden und Wasserfälle bestaunen. Wir machten einen Zwischenstopp an den Rogie Falls. Ein kleiner Spaziergang durch idyllischen Wald später konnten wir eine Hängebrücke und schäumend braues Wasser – wie Guinness – bestaunen. Die Landschaft ist hier relativ zerklüftet und felsig, was man aber wegen der üppigen Vegetation gar nicht so wahrnimmt. Beste Bedingungen jedenfalls für kleine Bäche, die sich tief ins Gestein gegraben haben und hin und wieder über einen gewaltigen Abbruch in die Tiefe fallen.
Whisky-Brennereien - ein guter Grund für einen Schottland-Besuch
Glen Ord Distillery
Diese Brennerei in der Nähe von Inverness erzeugt vor allem Export-Whisky (Singleton) und verkauft keinen Whisky unter dem eigenen Namen. Wir haben sie trotzdem besucht und eine kleine (!) Verkostung gewagt. Die Frage, wer danach noch Autofahren konnte, lasse ich mal so im Raum stehen 😉
Blair Athol Distillery
Am südlichen Ende des Cairngorms Nationalpark liegt das Örtchen Pitlochry, bekannt für Whisky (Edradour und Blair Athol Brennerei), Lachse, Golf und als Filmdrehort. Blair AThol haben wir besucht und eine Führung mitgemacht. Auch diese Brennerei verkauft viel Exportware, aber in Schottland selbst bekommt man auch ihren eigenen Whisky zu kaufen – was wir getan haben, denn der ist richtig gut.
Glenlivet Distillery
Diese Brennerei liegt im Herzen der Speyside und besticht durch ein riesiges und durchdachtes Visitor Center. Die Führungen sind auch hier super, die Kostproben nicht zu knapp. Der 16jährige kann sich schon sehen lassen! 🙂
Glengoyne Distillery
Diese Brennerei liegt östlich des Trossachs Nationalpark in der Nähe von Glasgow. Sie ist sehr idyllisch gelegen, das Bächlein wird etwas aufgestaut zu einem kleinen Deich, der Wald im Rücken. Wir haben auch hier eine Führung mitgemacht, die wieder neue Aspekte der Whisky-Herstellung aufgezeigt hat. Sehr zu empfehlen!
Aberlour Distillery
Diese sehr kleine Brennerei in der Speyside war leider führungstechnisch über zwei Wochen im Voraus ausgebucht. Wir haben also nur das Areal besichtigt und einen kleinen Wasserfall etwas hinter der Brennerei im Wald gefunden – meine persönlichen „Guinness Falls“!
Campingplätze - klein und fein
Auch wenn wir einige Male einfach wild gecampt haben, und es sehr genossen haben, war hin und wieder ein bisschen Hygiene und Strom nötig. Also haben wir neben vielen tollen Abenden im Nirgendwo auch einige Nächte auf dem Campingplatz verbracht. Alle waren relativ günstig, relativ sauber und höchstens halb voll.
Camping Barcaldine
https://www.campingandcaravanningclub.co.uk/
Camping Loch Lomond
https://www.campingandcaravanningclub.co.uk/
Camping Lairg – Woodend Caravan and Camping Site
…haben leider keine Website, weil der Platz so spartanisch und versteckt liegt und von einer gefühlt 90jährigen Granny betrieben wird 😉
Im regnerischen Schottland wachsen viele Schwammerl...
Ich weiß nicht, ob das jemand weiß, aber ganz Schottland ist voller Eierschwammerl und Steinpilze. Ich liebe Eierschwammerl ganz besonders. Und ohne wirklich auf die Suche zu gehen, konnten wir uns fast jeden zweiten Tag Eierschwammerl zum Abendessen machen.
Tulloch Castle - stilvolles Schnöseltum meets Gruselfaktor
Ein besonderes Highlight dieser Reise war auch mein 30. Geburtstag. Ich wollte an diesem besonderen Tag in einem Schloss schlafen. Und naja, ich HABE in einem Schloss geschlafen!
Nach längerer Suche und einigen Absagen, habe ich ein Schlosshotel gefunden, das das Budget nicht sprengt und seinen eindeutigen Schloss-Charakter bewahrt hat: Tulloch Castle.
Nicht weit entfernt von Inverness liegt es etwas oberhalb des Ortes auf einem Hügel. Es ist eher versteckt und hat keine großartigen Türme. Das Hotel gibt es schon seit einigen Jahren, zuvor wurde es lange Zeit als Kinderheim genutzt.
Wir bekamen eine Begrüßung mit viel Etikette (wir fühlten uns gelinde gesagt etwas underdressed und fehl am Platz nach knapp zwei Wochen VW Bus und Natur), besten Service, hervorragendes Essen und eine gruselige Führung vom Barkeeper durch das Schloss und seine bewegte Geschichte.
Ich konnte zwar aus Angst vor einem Geist nicht ganz so gut schlafen, bekam aber am nächsten Morgen eine originale Dosen-Sachertorte mit Kerze gefolgt von einem ausufernden Frühstück.
Ich kann dieses Schlosshotel nur weiterempfehlen! Wirklich eine bleibende Erinnerung an meinen Geburtstag!